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Lavaredo Ultra (Cortina)

Der Lavaredo Ultra (Trailrunning)

Cortina d´Ampezzo spielt definitiv in der höchsten Liga der europäischen Wintersportorte und braucht hier wohl keinen Vergleich zu scheuen. Die Bergwelt der Dolomiten ist ebenso einzigartig wie die Schiabfahrt von der Tofana oder der Anblick des schneeweißen Kirchturmes am Hauptplatz des Ortes.

Doch Cortina kann nicht nur Wintersport. Jährlich gegen Ende Juni wird das kleine Bergdorf zum Zentrum der europäischen Traillaufszene. Denn es ist Lavaredo Ultra Zeit.

Lavaredo Ultra:

Dieses Traillaufevent der Spitzklasse wird bereits seit über 10 Jahren in Cortina ausgetragen, erfreut sich größter Beliebtheit und das zurecht. Seit ich vor ein paar Jahren mit dem Trailrunning in Berührung gekommen bin hat es mich schon nach Spanien, Kroatien oder Österreich verschlagen, um an Wettkämpfen teilzunehmen. Jeder war auf seine Weise spannend und landschaftlich Interessant. Doch nirgends hatte ich das Gefühl wirklich im alpinen Gelände unterwegs zu sein außer in Cortina.

Die landschaftlichen Gegebenheit ändern sich permanent und auch der Untergrund spielt alle Stücke. Das ist zwar positiv für das Gesamterlebnis, aber was die Herausforderung an den Körper angeht sollte man doch gut vorbereitet sein.

Vier Strecke:

Der Lavaredo Ultra bietet vier verschiedene Strecken welche sich aus unterschiedlichen Loops zusammensetzen. Die kürzeste Distanz wird als Skyrace gewertet und schlägt mit 20k und 1000hm zu Buch, während die längste über beängstigende 120k mit 5800hm verfügt. Grundsätzlich ist vor allem die 48k Strecke meist gut gebucht und erfreut sich vor allem bei Startern aus dem ehemaligen Ostblock größter Beliebtheit.

Selbstverständlich war auch ich auf dieser unterwegs und habe euch hier meinen Leidensweg 🙂 festgehalten.

Hier findet ihr den Link zur Homepage des Veranstalter.

 

Anreise:

Cortina ist wie erwähnt ein echtes Alpendorf. Das geht natürlich mit der ein oder anderen Einschränkung was die Anreise angeht einher. Im wesentlichen gibt es zwei Hauptverkehrswege in die Stadt (die kleinen aber schönen Passstraßen lasse ich mal weg), entweder über den Norden von Toblach kommend oder doch von Süden über Belluno. Das bedeutet die nächstgelegenen Flugplätze sind doch ein Stück entfernt und man sollte auf jeden Fall über ein eigenes Auto verfügen.

Denn wie so oft im Leben ist das erkunden der Gegend auf eigene Faust einfach deutlich entspannter und bei der Vielzahl von Passstraßen dankt einem auch der Magen jede erspart Busfahrt.

Sein wir uns mal ehrlich. Die meisten von uns reisen zu einem Event wie diesem nicht an um es zu gewinnen. Man will viel mehr den Spirit, den Lifestyle und die Szene inhalieren und eine schöne Zeit verbringen. Natürlich gehört auch ein gewisser Hang zum Selbsthass dazu wenn sich über 7 Stunden durch die Berge quält, aber am Ende soll es mehr sein als nur ein Lauf. Deswegen habe ich hier noch die ein oder anderen Highlights der näheren Umgebung beigefügt.

Und was man auf keinen Fall verpassen darf: Die Starts der anderen Läufdistanzen in der Sportsbar am Hauptplatz mitzuerleben.

Sightseeing

Kaiserjägersteig (Lagazuoi)
Cinque Torri
Klettersteig am Paternkofel

Übernachten

Camping Roccetta
Hotel Argentina
Camping Olympia

Wandern

Tre cime di Lavaredo
Faloria
Die Tofana

Der Cortina Trail (48k, 2600+)

Hin und wieder bekommt man Geburtstagsgeschenke wo man nicht genau weiß ob man sich freuen oder sofort die Nerven schmeißen soll. Aber wer freut sich den bitte nicht über einen Startplatz für einen 48 Kilometer Lauf in mitten der italienischen Dolomiten. Was 2600 Höhenmeter gilt es auch noch zu überwinden? Na bitte das wird ein top Tagerl. Schwere Beine, Blasen und Kopfschmerzen natürlich inklusive.

Juni 2021

Also wenn ich ganz ehrlich bin habe ich immer noch Respekt vor Läufen wie diesen. Als Snowboarder ist man ja nicht unbedingt als Läufer gebaut aber hey, wer kann schon von sich behaupten die massivsten Schenkel im ganzen Starterfeld zu haben?

So Spaß bei Seite, denn jetzt wird es ernst.

Nachdem wir zwei Tage zuvor am örtlichen Campingplatz eingecheckt hatten und uns mal mit den wichtigsten Schlüsselstellen vertraut gemacht hatten war es am 25.6.2021 dann soweit, der Start zum Lavaredo 48k rückte unweigerlich näher und auch wenn immer etwas Respekt mitschwingt muss ich sagen macht es einem das Startareal schon leicht loszulaufen.

Hunderte Zuseher hatten sich bereits um 9.00 in der Innenstadt eingefunden um sich die noch recht frischen Läufer anzusehen. Pünktlich um 9.00 geht´s los. Schon speziell das Gefühl wenn alle loslaufen und glauben sie befinden sich auf der letzten Runde des 800m Finale der olympischen Spiele.

„Nicht über dein Limit am Start“, jaja du kannst mich mal lieber Hausverstand. Selbstverständlich bin ich was meinen Puls angeht wieder zu hoch, das Tempo halte ich keine 10km durch aber was solls. Die Zuseher/innen sollen ja nicht das Gefühl haben bei einem Wandertag zu sein. In rasantem Tempo geht es die ersten Kilometer durch die Stadt und auf Asphalt rollt es doch recht einfach. Knapp drei Kilometer nach dem Start wartet die erste Steigung auf das Grupetto.

Eine kurzer Rundumblick, keine Zuseher, Stöcke raus und rein in den Nordic Walking Modus. Der erste hat auch schon genug und muss nach einem dramatischen Umknöchler am örtlichen Randstein die Segel streichen.

Lago die Ghedina.

Nach 24 Minuten wartet der erste Leckerbissen auf uns. Der Lago die Ghedina. Wunderschön, glasklar und auf breiten Schotterwegen geht es hier bergauf. Mein Vater begleitet mich hier mal für gut 10 Minuten. Dann hat er wohl auch genug und strebt eher das örtliche Restaurante an. Na danke Papa, aber wir sehen uns dann am Col Gallina zur Halbzeitpause, vergiss nur meine Trinkflaschen nicht (die werden heute deutlich unwichtiger als erwartet).

Nach der ersten Laufeuphorie gestalten sich die kommenden 7 Kilometer eher unspektakulär, wenngleich hier ordentlich gebolzt wird. Auf breiten Schotterwegen überqueren wir eine Bergrücken der uns in das ominöse „Val Travenanzes“ führt.

Val Travenanzes

Von vielen Läuferkollegen als das geheime Highlight angepriesen baut sich hier vor mir eine knapp 10 Kilometer lange Rampe auf, die salopp gesagt richtig reinhaut. Auf brutal schmalen Wegen geht es immer tiefer in das Tal hinter der Tofana und mir graut das sich der Bach am Fuße der Schlucht irgendwann zu einem Hindernis entwickeln könnte.

Aber noch läuft es erstaunlich gut und ich „vernasche“ in der Steigung gute 100 Läufer. Keine Sorge, die sehen mich zum größten Teil wieder :-).

Bei Kilometer 17 wartet auf mich der erste kulinarische Fixpunkte der Tour. Eine wunderschöne Wasserquelle knapp 2 Stunden Fußweg von der Zivilisation entfernt. Was will man mehr? Schlückchen Cola vielleicht? Gibt´s auch. Ein mehr als fleißiger Senior müht sich ab den Ansturm der Zuckerzombies zu befriedigen und da ich ja keine Sekunde verschenken will bleibts beim Wasser. Ich schütte den ein oder anderen Becher in mich rein und weiter geht´s im Nordicwalkingmodus.

Doch keine 10 Minuten später holt mich meine Vermutung auch schon ein. Nach einem guten Kilometer auf dem Kugellager des Bachbettes ist eine Querung unumgänglich und somit heißt es die nächsten  Kilometer mit nassen Füßen in Angriff zu nehmen.

Eine Dame in meiner Gruppe hatte wirklich die Motivation ihre Schlappen auszuziehen um trocken überzusetzen, blöd nur das der Untergrund nicht ganz eben war und sie recht unglücklich im Wasser landete. Naja Schuhe trocken aber nasser Hintern, was da wohl besser ist :-).

Nach dieser Abkühlung geht rauf auf die „Forcella Col de Bos“. Hier unterlief mir dann wohl mein einziger echter Fehler des Tages. Nach diversen Gel-Magen-Komplikationen hab ich mir in einem Anflug von Übermotivation noch eine klebrige Portion gegönnt um zeitlich zu spüren, das wars wohl mit dem angenehmen Laufgefühl.

Von hier geht´s dann im Sprint runter zur ersten echten Labestation an der „Col Gallina“. Schön hier mal wieder ein paar vertraute Gesichter zu sehen (Danke Papa und Sabine) und die Taschen des Rucksacks aufzufüllen. Was mir ewig in Erinnerung bleiben wird ist wohl der zu diesem Zeitpunkt beste „Eistee“ meines Lebens. Schon speziell was einem auf diesen Läufen im Gedächtnis bleibt. Das beinahe Ersticken an einer Orangespalte erwähne ich hier lieber nicht.

Rifugio Averau

Nun weiter Richtung Cinque Torri und rauf zum Rifugio Averau, dem Dach der Tour. Dieser Abschnitt ist für mich der schönste der ganzen Runde. Landschaftlich absolut überragend und die Beine machen doch noch einen besseren Eindruck als erwartet. Da kann man mal den Ausblick auf die Tofana genießen und futtert so einfach die 300 Höhenmeter weg als wäre es ein Stückchen Schokolade.

Der Ausblick am Averau ist einzigartig, aber man sieht schon die nächste Herausforderung auf einen zukommen. Der Abstieg zum Passo Giau. Ich war schon oft in Cortina, aber diesen Pass hab ich mir bis jetzt immer erspart. Naja heute hilft´s wohl nicht und ich werde ihn eher auf Passo Ciao umbenennen. Denn spätestens hier sagt mein Magen Ciao, Pfiati und baba. Ab jetzt will da absolut nichts mehr rein. Egal ob Wasser oder feste Nahrung.

Naja hilft wohl nicht. Da muss ich jetzt durch, das Leiden ist ja Teil des All-Inklusive-Erlebnis.  An der Labestation wandere ich vorbei ohne den kulinarischen Köstlichkeiten erliegen zu müssen und seit diesem Zeitpunkt frage ich mich wer nur diese Unmengen an Parmesanklötze gegessen haben soll.

Forcella Giau

Als letzter Prüfstein wartet der Aufstieg zur Forcella Giau auf uns Finisheraspiranten und dieser hat es absolut in sich. Am Vortag bin ich die Strecke noch mit einer Freundin auf der Region durchgegangen und sie meinte „Questo section is molte steep“. Na seavus wenn das schon ein Mädel aus Cortina als steil bezeichnet dann wird das wohl in einem Überhang enden. Ganz so schlimm war es dann doch nicht, aber für den Kilometer im Anstieg benötigte ich dann doch knapp 20 Minuten und er forderte absolut alles was ich noch an Energie aufbringen konnte.
An diesem Punkte hatte ich bereits 60 Minuten keinen Schluck runterbekommen. Es wollte einfach nicht mehr klappen mit dem Trinken. Aber egal.

Die kommende Steigung zum Modeval hab ich irgendwie vergessen. Null Idee was da so los war, aber ich glaube das Runnershigh hatte mich zu diesem Zeitpunkt fest im Griff.

Anschließend konnte ich bereits den letzten Verpflegungspunkt am Horizont erkennen und die aufziehenden Gewitter über den drei Zinnen. Das muss sich noch ausgehen ohne nass zu werden. Sind ja nur noch 10 Kilometer und das bergab.

Wenn ich hier von bergab spreche dann ist das eine fatale Untertreibung. Der Abstiegstrail ist einfach nur elendig steil und brutal. Nach der Hälfte hatte ich das Gefühl meine Oberschenkel sehen aus wie Kebapspieße und machen Anstalten zu platzen.

Da es mit der Wasseraufnahme immer noch nicht klappen wollte und jeder Schluck mit einem Würgereflex quittiert wurde musste ich wohl das Durstgefühl noch für eine halbe Stunde akzeptieren.

Aus meinem subjektiven Gefühl bin ich den Downhill hinunter geflogen. Aber nichts desto trotz verlor ich knapp 70! Plätze auf diesen 10 Kilometer. Absolut crazy wie gut die Jungs und Mädels bergab sind.

Nachdem ich Cortina erreicht hatte war es wieder Zeit den 800m Sprint zu vollenden und mit der Leichtigkeit von Haile Gebrselassie durch die Innenstadt zu schweben um nach der Ziellinie mal die Liegeeigenschaften des örtlichen Kopfsteinpflasters zu testen.

Danke Lavaredo Ultra für diese grenzwertige Erfahrung, this was awesome und liebe Sabine hohl doch bitte mal das Auto. Ich glaube das schaff ich heute nicht mehr. So oder so ähnlich hat sich wohl meine Ablenkung angehört damit ich mich in aller Ruhe in das erste Hilfe Zelt schleppen konnte.

Wie gesagt durstig war ich immer noch, aber das mit dem Trinken wollte einfach nicht klappen. Gut das die anwesende Barkeeperin in roter Bekleidung eine vorzügliche Rotkreuz Mischung servierte.

„Was für ein geiler Tag, ich glaube da waren noch ein paar Minuten drinnen“ – Alex, so wie du ausschaust war da nix mehr drinnen. Gar nix!

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